Tag 1 bis 55 am Trail:
Seit 55 Tagen bin ich nun unterwegs. Davon 50 auf dem Trail. Viele Kilometer habe ich bereits hinter mir, viele unglaublichen Erlebnisse und viele tolle Menschen.
Zu den Menschen: Gleich am ersten Tag, nach Arthurs Pass, traf ich einen Wanderer der mir entgegen kam. Wie bei den meisten blieb ich stehen und wir tauschten ein paar Worte aus. Plötzlich fragte er mich ob ich an Jesus glauben würde und ob er für mich beten dürfe. Ich sagte ja und dachte er würde mich in seine Abendgebete einschließen. Aber nein. Er legte seinen rechten Arm auf meine Schulter und fing an ein Gebet vor sich hinzumurmeln und um Kraft für mich zu bitten. Das war tief beeindruckend. Ihr mögt es glauben oder nicht, aber seither geht es mir mit den Knien, die mir viel Kopfzerbrechen bereiteten viel besser.
Oder die ältere Dame, die im Boyle Village Education Center kostenlos arbeitete und dafür sorgte, dass für jeden Wanderer, der dort Schutz suchte gesorgt wurde. Dort in diesem Center ging es um Essenspakete, die von einigen vorausgeschickt wurden um das Essen nicht mitschleppen zu müssen. Es ging um einen Schlafplatz, eine Pizza usw. bevor man wieder aufbrach. Sie kümmerte sich um alles, kochte für, lud den Müll in ihr Auto um in wegzubringen und letztendlich brachte sie noch 2 Wanderer ins ca. 50 Km entfernte Hamner Springs. Ein echter Engel. Ein "Trail Angel".
Oder Roger und Frank, 2 Kiwis (so werden die Neuseeländer liebevoll genannt), die ich auf meiner Route von Boyle Village nach Saint Arnaud begleiten durfte. Ich war sehr froh darüber, weil das eine sehr schwierige 6 bis 9 tägige Strecke war und das Wetter auch nicht ohne war . Ich hatte sehr viel Spaß mit ihnen .
Oder…oder. Es gäbe noch so Vieles über die Menschen hier zu erzählen, das nicht selbstverständlich war. Natürlich wird der Te Araroa Status auch das Seine dazu beigetragen haben. Fast jede Person die man trifft fragt ob man T. A. Hiker sei (durch den großen und schweren Rucksack ist das ohnehin unübersehbar). Wenn das bestätigt wird ergaben sich meist nette Gespräche und helfende Hände.
Zur Natur: Bei dieser Tour waren die Naturgewalten Neuseelands gut erkennbar. Speziell die Gewalt der Bäche und Flüsse, die im Nu ansteigen, wenn es stark regnet. Ich bin durch Flusstäler gegangen, bei denen ich mir gut überlegen musste, ob das bei den gegebenen Verhältnissen zu bewältigen sei. Insbesondere wenn das Tal so eng und die Felsen so steil waren, dass man meist im Bach über Stock und Stein flussauf- oder abwärts klettern musste. Nicht umsonst sind die Flussüberquerungen das Gefährlichste am Trail.
Oder die 2 Pässe, den Waiau Pass und den Upper Travers Saddle, die bei Schlechtwetter unpassierbar sind. Ich hatte Glück und ein Wetterfenster gefunden, sonst wäre ich einige Tage in der Waiau Hut festgesessen.
Derzeit bin ich in Saint Arnaud. Es ist kalt, 10 Grad, und es regnet.
Ich habe gehört, dass es in manchen höher gelegenen Orten in der Nacht geschneit hat und es Straßen an der Westküste durch heftige Regenfälle weggespült hat. Ich hoffe das Wetter wird in den nächsten Tagen besser.
Tag 56 bis 64 am Trail:
Abenteuer, Abenteuer, Abenteuer!!!!
The Richmond Ranges war der härteste und schwerste Abschnitt am Te Araroa Trail. Ich kann das nur bestätigen. Ich wanderte noch immer mit Roger und Frank, den 2 Neuseeländern, die ich in Boyle Village kennenlernte. Ich war froh, dass ich diese Sektion nicht allein gehen musste, da ja doch allerhand passieren kann wie sich noch zeigen wird. Die ersten 2 Tage waren relativ einfach mit ca 1200 Höhenmeter pro Tag. Allerdings war mein Rucksack die ersten Tage extrem schwer, weil ich für 9 Tage Essen mit hatte. 9 mal Frühstück, Mittag- und Abendessen. Und das nicht zu knapp.
Mein Kalorienverbrauch liegt täglich bei ca 4000 bis 5000. Den versuche ich zumindest mit täglich 2500 Kalorien abzudecken. Um das zu schaffen und nicht zu einseitig zu sein, muss ich pro Tag 800 Gramm Nahrungsmittel zusätzlich zur Ausrüstung mitschleppen (Müsliriegel, vorgekochten Reis, Nudeln die schnell weich werden, Nüsse, Packerlsuppe, Müsli, Haferflocken, Honig, Thunfisch). Nicht unbedingt Gourmetküche!
Nun gut! Jedenfalls ging es ab dem 3. Tag gings dann so richtig zur Sache. Mt. Elis, Purple Top, Mt. Rintual, Little Rintual, dazwischen steile Schluchten, zum Teil sehr ausgesetzt und mit Kletterpassagen. Beim Little Rintual auf einer unspektakulären Passage passierte es dann. Roger war vor mir und außer Sichtweite, als ich ihn dann wieder sah saß er in einer ungewöhnlichen Haltung am Boden und winkte mit einer Hand. Als ich bei ihm ankam war rund um ihn Blut, viel Blut. Mit der rechten Hand drückte er eine tiefe Wunde ab. Ich holte so schnell ich konnte mein Verbandspaket heraus und legte einen Druckverband an. Nach gefühlten 17 Erste Hilfe Kursen schaffte ich das. Als Roger die Hand von der Wunde wegnahm, spritzte das Blut nur so heraus. Eine Bandage noch aufgerollt, fest auf die Wunde gedrückt und mit einer zweiten und dritten umwickelt und ich konnte die Blutung einigermaßen stillen. Nach einer Ruhepause versuchte Roger aufzustehen und zu gehen und es klappte. Er ist ein richtiger Beißer. Es ging bis zur nächsten Selbstversorgerhütte, der Slaty Hut. Mittlerweile hat es ordentlich zu regnen begonnen und Wind kam auf. In der Hütte war gerade noch Platz für uns. Insgesamt waren wir 6 Personen, zusammengepfercht auf engsten Raum in einer Hütte mit ca 15 Quadratmetern und 3 Stockbetten, für die nächsten 40 Stunden, weil sich Regen und Wind zu einem heftigen Sturm wandelten. Nach diesem endlos langen Hüttenaufenthalt war das Wichtigste so schnell wie möglich mit Roger zu einer Straße zu kommen. Das war leichter gesagt als getan. Wir waren zwar nicht mehr all zu weit von der nächsten Zivilisation entfernt, aber da waren einige Bäche dazwischen, die sich in reißende schlammige Flüsse verwandelt hatten. Aber dank guter Karten, Apps und GPS fanden wir Wege um in ein Tal mit einer Straße zu gelangen. Dann war es nicht mehr schwer ein Auto anzuhalten, das Roger in die nächste Stadt und zu einem Arzt brachte. Nochmal gut gegangen! Ich hoffe nur, dass ich mein neues Verbandspaket am Rest des Trails nicht mehr brauche.
Tag 65 bis 70 am Trail:
Ein mehr als würdiger Abschluss der Südinsel war der Queen Charlotte Track nach Ship Cove. Ein wunderschöner Wanderwege entlang einer Halbinsel mit vielen Buchten, Stränden, Seehunden, Delphinen, diebischen Vögel und vielen Sonnenstrahlen. Entlang dieses Tracks gab es immer wieder kleine Resorts die mitten in den Regenwald hinein gebaut wurden. Ich blieb allerdings den Zeltplätzen treu, die ebenfalls mitten im Wald, traumhaft idyllisch gelegen waren.
Dieser Queen Charlotte Track ist Bestandteil des Te Araroa Trail und kann von Havelock oder von Picton aus erreicht werden. Ein echtes Highlight.
Hier musste ich mich auch von meinen neuseeländischen Freunden entgültig verabschieden. Allerdings haben mich beide eingeladen nach Kerikeri zu kommen, ihrer Heimatstadt im hohen Norden Neuseelands. Mal sehen!
Nach wilder Natur kam ich in Picton, einer kleinen Hafenstadt im Norden der Südinsel an. Nun trennte mich nur mehr die "Cookstreet", eine ca 25 Km breite Meeresstraße von der Nordinsel Neuseelands und der Hauptstadt Wellington. Dort werde ich den Trail durch die Nordinsel planen.
Tag 71 bis 76 am Trail:
Viel Stadt, viel Schiff, viel Meer!
Picton, Cook Street, Wellington, Porirua, Waikanae
Picton ist zwar der Fährhafen und das Tor zur Nordinsel und dennoch hat diese kleine Stadt den Flair eines Urlaubsortes. Von hier ging es über die Cook Street durch eine großartige Inselwelt, die leider im Regen und Nebel nicht ihre volle Pracht entfalten konnte, nach Wellington.
Das Zentrum von Wellington wird dominiert von protzig gläsernen Hochhäusern. Zum Glück gibt es entlang des Hafens noch ein paar alte Gebäude die den Flair der Gründerzeit noch erahnen lassen. Aber selbst dort schaffen es die Wellingtoner diese Atmosphäre durch stählerne Containerkiosks zu zerstören. Ich wollte so schnell wie möglich weiter obwohl die Häuschen außerhalb der City wiederum sehr nett waren.
Nach einer Nacht mit Feueralarm um 4 Uhr früh in meinem Motel, zum Glück Fehlalarm, machte ich mich Weg auf den Weg. Meine Ziele waren Porirua und dann Waikanae. Zuerst mal raus aus Wellington, dann im Norden über eine Hügellandschaft nach Porirua. Ein Ort der aus einem riesigen Kreisverkehr und einem ebenso riesigen Einkaufszentrum besteht. Danach gings weiter entlang der Küste, aber leider auch entlang des Highways 1 und der Eisenbahn.
Während ich das schreibe bin ich in Waikanae Beach. Ein kleiner Ort am Meer mit einem wunderschönen Strand, 2 Cafés, einem Mini-Supermarkt und einem Camp. Ich hoffe das Wetter lässt es zu, dass ich morgen in die Tararua Ranches kann. Ich habe eine nette Neuseeländische Familie kennengelernt. Stacey hat mir auch gleich eine Haube, bedruckt mit dem in Neuseeland bekannten Silverfern geschenkt. Er meinte: "It will be cold in the Tararuas".
Tag 77 bis 82 am Trail:
Die Tararua Rangeshabe ich geschafft und ich bin am Weg nach Whanganui. Die Tararuas sollten Muddyruas heißen. Das würde besser passen. Schlamm, Schlamm und noch mehr Schlamm. Wieder ein sehr herausfordernder Abschnitt. Ich konnte jede Nacht in einer Selbstversorgerhütte verbringen und war nie allein. Mitbewohner waren alle Arten von Nagetiere die in der Nacht sehr aktiv herumschwirrten. In Ermangelung von Licht konnte ich sie zum Glück nicht sehen. Die Lebensmittel musste ich an einem Seil an der Decke befestigen sonst wäre am nächsten Tag nicht mehr viel übrig gewesen. Menschen habe ich nur ganz wenige getroffen. Ein koreanische Paar, das erzählte, dass sie vor einer Woche 3 Tage und 3 Nächte allein auf einer Hütte wegen Sturms ausharren mussten und zwei junge Schweden, deren Schuhe sich aufgrund der Nässe und des Schlamm auflösten.
Das Positive: Ein Märchenwald der Sonderklasse mit uralten Bäumen…Herr der Ringe lässt grüßen…und unglaubliche Ausblicke von den Gipfeln und Kämmen.
Wieder ein unglaubliches Erlebnis. Manchmal komm mir das selbst alles unwirklich vor.
In Whanganui wartet zur Abwechslung ein Kanu-Abschnitt auf mich. Einige Tage am Whanganui River...das nächste Abenteuer!
Tag 83 bis 93 am Trail:
Die vergangenen Tage standen im Zeichen von 2 großen Nationalparkwanderungen, den sogenannten „Great Walks“. Es gibt in Neuseeland nur 10 Wanderrouten, die aufgrund ihrer spektakulären Natur so genannt und auch dementsprechend betreut werden. 2 davon sind Bestandteil des Te Araroa Trails. Die Whanganui River Tour und die Tongariro Crossing.
Der Weg zum Whanganui River war für mich als mittlerweile eingefleischten Rainforest Hiker etwas ungewohnt. Highways, Farmroads, Forststraßen…alles ein wenig „strange“ und vor allem langweilig.
Aber das war am Whanganui River alles vergessen. Etwa 120 Km werden in 3 Tagesetappen im Kanu oder Kayak zurückgelegt. Übernachtet wird auf Selbstversorgercamps am Ufer des Flusses mitten im Regenwald. Es war unglaublich schön. Der Whanganui fließt mit Wildwasserstufe 2, also nicht extrem, aber ungeübt mit Kanu und Kayak bei gewissen Stromschnellen doch eine Herausforderung. Wir fuhren in einem Dreierteam. 2 Holländer im Kanu und ich im Kayak. Einmal mussten wir zwei junge Deutsche aus dem Fluss fischen und einmal gingen meine 2 Begleiter mit ihren Kanu unter, das einfach zuviel Wasser abbekommen hat und geflutet wurde. Mein Kayak war zum Glück unsinkbar. Am 3. Tag dann heftiger Dauerregen. Links und rechts vom Fluss schossen unglaubliche Wassermengen in die Schlucht. Dazu muss gesagt werden, dass sich der Fluss durch eine Schlucht zwängt, deren Hänge an die berühmten Felsen im Meer vor Thailand erinnern. Jedenfalls war am 3. Tag alles nass. Glücklicherweise der letzte Tag. Am Ziel angelangt wurden wir abgeholt und wieder zum Ausgangspunkt gebracht, wo ich die ganze Ausrüstung trocknen konnte. Alles sehr rustikal. Von dort gings dann in 2 Tagesetappen zum Tongariro Nationalpark. Temperatur tagsüber 8 bis 10 Grad, nachts um 0 Grad. Es handelt sich um aktives Vulkangebiet. Laut Trail Routes stand eine Vulkanüberquerung auf dem Programm. Ich weitete diese Tour jedoch aus und ging die ganze Runde um den spektakulären Vulkan Mt.Ngauruhoe mit einer Überquerung des Mt. Tongariro. Den Mt. Ruapehu mit seinen 2797 Metern immer in Sichtweite. Nach einer Übernachtung im Zelt hatte ich am Morgen Eis auf der Plane. Zum Glück gab’s keinen Niederschlag sondern Sonnenschein.
Ja zwei wunderschöne Erlebnisse. Ich bin schon neugierig was mich weiter erwartet, aber ich vermute bis nach Hamilton und weiter nach Auckland viele Km entlang von Wegen und Straßen. Einerseits ein wenig langweilig, andererseits purzeln die Kilometer.
Tag 94 bis 100 am Trail:
Begegnungen!
Die vergangenen Tage waren geprägt von vielen herzlichen Begegnungen. Begonnen hat es mit Al, einem ca 60 jährigen Neuseeländer aus Auckland. Er war mit dem Fahrrad unterwegs und wir trafen uns am Beginn des Pureora Forest. Wir verstanden uns auf Anhieb und Al konnte mir viele wertvolle Informationen über den bevorstehenden Abschnitt geben.
Oder am nächsten Tag, auf der Strecke, ein deutschsprachiges Paar, das seit vielen Jahren in Namibia lebt. Sie erzählten mir über eine Stunde über ihr Land und zum Abschluss tauschten wir noch unsere Adressen aus.
Am Ende vom Pureora Forest, nach 3 Tagen, kam ich zu einer Campingwiese. Dort arbeitete ein Maori. Nach dem üblichen „How are you going“ erzählte ich ihm über meine Wanderung und es dauerte nicht lange und ich saß mit ihm in seiner bescheidenen Hütte bei Kaffee und Kuchen.
In Te Kuiti, nach einem langen Tag, suchte ich den auf Google Maps eingezeichneten Campingplatz, den es, wie sich herausstellte, nicht mehr gab. Auf dieser Suche fragte ich über den Zaun eine junge Frau (Sabrina), die mir genau diese Auskunft gab. Meine Enttäuschung war mir scheinbar anzusehen, da sie mir umgehend anbot bei ihr im Garten mein Zelt aufzuschlagen. Das Angebot nahm ich natürlich dankend an. Dort auf Besuch war noch ein deutsches Pärchen, Anne und Rene, mit 2 kleinen Kindern. Mit Rene konnte ich zum Supermarkt fahren um einzukaufen und dann wurde ich noch zum gemeinsamen Abendessen eingeladen. Oder am Trail, an einer schwierigen Passage, kam mir ein Typ entgegen, ich dachte Louis Trenker steht vor mir. Ich schätze zwischen 70 und 80 Jahre alt, durchtrainiert und mit einem unheimlich trockenen Humor. Das Kuriose war, dass ich Ihn in Hamilton (einer relativ großen Stadt) in einem Lokal mit seiner Frau wiedertraf, wo er darauf bestand, dass ich mich zu ihnen setze und ihnen alles über mein Abenteuer erzähle.
Am Stadtrand von Hamilton lud mich ein älteres Pärchen zu Kaffee und Keksen in Ihren Garten ein. Sie erzählten mir von ihrer Europareise und gaben mir zum Abschied Äpfel aus dem Garten mit.
…und die vielen kurzen und netten Gespräche mit anderen Wanderern kann ich gar nicht alle aufzählen…
Ich glaube dass diese Begegnungen nur möglich sind, weil ich alleine unterwegs bin. Dadurch bin ich offen für Gespräche mit anderen und suche diese auch. Ich merke je offener und freundlicher ich auf die Menschen zugehen umso positiver ist das Echo.
Wieder viel fürs Leben gelernt!
Tag 101 bis 115 am Trail:
Der nördlichste Distrikt Neuseelands ist Northland. Der Name allein läßt einen vor Kälte erzittern. Aber wie ihr wisst nicht hier in der südlichen Hemisphäre unserer Erde. Es ist hier wunderbar warm ( 25 Grad) obwohl es bereits April ist und auch der Regen hält sich in Grenzen. Die Neuseeländer sagen, sie hatten noch nie so einen warmen Sommer und auch Herbst wie dieses Jahr. Ja…das mag für Northland zutreffen, aber weiter südlich habe ich es nicht immer als warm empfunden und Regen gab’s auch zur Genüge. Ich habe mittlerweile eine sehr gute Kondition aufgebaut. Bei den verschiedenen Abschnitten des Trails gibt es häufig Zeitangaben. Die habe ich anfangs bei weitem nicht geschafft und dachte: „die spinnen die Neuseeländer!“. Ich zweifelte deshalb auch an den Zeitangaben der entgegenkommenden South Bounder. Allerdings hatten die damals genausoviele Kilometer in den Beinen wie ich jetzt. Nun weiß ich, dass manche Trackabschnitte auch in beinahe der halben Zeit zu schaffen sind. Trotz 20 Kilo Backbag. Das Frontbag ist ja bereits weg. Zum Frontbag: derzeit wiege ich wesentlich unter 80 Kilogramm. Das ist eine Schätzung weil ich keine Waage habe aber ich bin mir sicher, dass das stimmt. Also wer abnehmen will…auf nach Neuseeland!!! Meine Wanderung führt mich derzeit entlang der Ostküste von einer Bucht zur anderen. Eine schöner als die andere. Alle mit feinem weißen Sandstrand häufig umrahmt von Dünen oder Klippen. Das Meer ist glasklar und hat zwischen 20 und 23 Grad. Genau die richtige Temperatur nach einer langen Wanderung. Gelegentlich führt der Trail auch ins Landesinnere wo ich mich dann in den Hügeln austoben kann und leider gibt’s auch Abschnitte entlang von Straßen und Farmwegen auf die ich verzichten könnte.
Tag 116 bis 130 am Trail:
Ja liebe Freunde, ich stehe kurz vor dem Finale. Ich merke das ganz deutlich. An den vielen Händen, die mir zur Gratulation gereicht werden, an den vielen Fragen, die mir zu meiner Verfassung gestellt werden und an meiner Freude und Erleichterung dem Ziel nahe zu sein. Möglicherweise liegt es genau an dieser Nähe zum Ziel, dass meine physische und psychische Erschöpfung nun für mich spürbar werden. Ja ich bin wirklich froh wenn ich Cape Reinga, das Ende des Trails erreicht habe.
In Kerikeri, einer der letzten Ortschaften vor dem Nordkap habe ich mich mit meinen 2 Begleitern von der Südinsel, Frank und Roger getroffen. Ich durfte die neuseeländische Gastfreundschaft genießen, war natürlich auch zum Abendessen eingeladen und ich lernte durch die Teilnahme an einem Quizabend in einem Pub ein Stück neuseeländische Kultur kennen, wie es Rodger nannte.
Nach diesem schönen und sehr emotionalen Wiedersehen und dem unvermeidlichen Abschied begann wieder die Trailroutine, Etappen- und dementsprechende Essensplanung, Nahrungsmitteleinkauf und losgehts. Es erwarteten mich die Northern Forests. Ich kämpfte mich also von der Ostküste, der Bay of Islands, ein letztes Mal durch dichte, dunkle, subtropische Wälder, durch Bäche und Flüsse, über lehmige und rutschige Abhänge zur Westküste nach Ahipara, dem Beginn des Ninety Mile Beach durch. Dieser Abschnitt brachte mich wirklich an meine Grenzen. Stundenlanges anstrengendes Wandern in Bachbetten und der Kampf auf diesen unglaublich matschigen und rutschigen Hängen kosteten meine ganze Kraft. An den Abenden, um 18 Uhr wird es finster, kroch ich dann in mein nasses Zelt und schlüpfte in meinen feuchten Schlafsack.
Aber jetzt bin ich am Strand an der Westküste angekommen, lecke meine Wunden und bereite mich auf eine lange, finale Strandwanderung vor.
Tag 131 bis 134 (letzter Tag) am Trail: Es ist geschafft!! 3041 Km in 134 Tagen. Ich habe dabei viel gelernt, nicht zuletzt über mich selbst. Hätte ich vorher gewusst was auf mich zukommt, wäre ich nie gestartet. Meiner „Blauäugigkeit“ habe ich es zu verdanken, dass ich dieses Abenteuer erleben durfte. Es war teilweise extrem anstrengend, oft war ich verzweifelt, habe geschrieen und geflucht, bin im Schlamm gelegen und war patschnass. Das Wetter war mein ärgster Gegner und gleichzeitig mein bester Freund. Auch waren manche Passagen mit Herzklopfen verbunden, in den Bergen ebenso wie am Meer. Die Einsamkeit habe ich großteils genossen, aber die letzten Tage hat sie mir sehr zu schaffen gemacht. Ich habe sehr viele freundliche Menschen kennengelernt, eine unglaubliche Natur erlebt, bin über mich hinausgewachsen, physisch und psychisch und habe mit Wenigem das Auslangen gefunden. Es ist schön wenn man ein Land auf diese Weise bereisen kann. Aber nun, wo alles geschafft ist, freue ich mich schon auf zu Hause und bin froh, dass ich in Österreich lebe. So schön Neuseeland ist, ich möchte nicht tauschen. Vielen Dank, dass Ihr mich auf meiner Reise begleitet habt. Ich habe mich über jede Rückmeldung sehr gefreut. Sie waren an den langen Abenden ein Stück Heimat!!! Liebe Grüße Roland