Gran Canaria
Um meinen ersten Eindruck mit zwei Worten zu beschreiben: Große Überraschung! Las Palmas, die Hauptstadt, ist eine Metropole mit einem Hafen, der mit den großen Europas mithalten kann, einem pulsierende Leben, unglaublich viel Verkehr, einem Strand mit allem was dazu gehört. Urbanes Urlaubsfeeling - eine Stadt die sich sehen lassen kann und die ich so nicht erwartet hätte.
Meine Abenteuerwanderung durch alle Kanarischen Inseln am GR 131, der Teil des europäischen Weitwandernetzes ist, führte mich auch auf eine der bekanntesten, Gran Canaria, eine Insel der Gegensätze und eine unterschätzte Perle!
Da mein Trail in Maspalomas, im Süden der Insel startete und dann durch die Berge in den Nordwesten bis nach Agaete verlief, fuhr ich mit dem Bus zu meinem Ausgangsort. Maspalomas ist bekannt für eine unglaubliche Dünenlandschaft, die ich mir natürlich ansehen wollte. Aber dieses Naturschauspiel trat vor einem, meiner Meinung nicht sehr schmeichelhaftem Phänomen, in den Hintergrund. Mir ist schon klar, dass ein Urlaub auf den Kanaren etwas mit Konsum und Kauf zu tun hat. Man kauft einen Flug, bucht ein Hotelzimmer oder Appartement, kauft Geschenke für die Famienmitglieder und Freunde. Aber hier in Maspomas werden Konsum und Einkaufen auf die Spitze getrieben. Naturschönheiten, wie die Sanddünen, treten in den Hintergrund oder sind für viele maximal Nebenschauplätze. Einkaufen wird zum Erlebnis erkoren, weshalb die Shoppingcenter nicht wie solche aussehen, sondern wie große Erlebnisparks, die Erfüllung verheißen. Sorry, ich weiß, das ist sehr kritisch. Ich möchte nur hervorheben, dass hier kein Einkaufswunsch unerfüllt bleibt, unabhängig davon, wie es am Bankkonto aussieht. Die Touristen als Cashcow. OK, viele wollen es scheinbar so, sonst würde es diese unüberschaubaren "Erlebniswelten" nicht geben.
Ich hakte Maspalomas schnell ab und startete meine Wanderung durch Gran Canaria vom Leuchtturm (Faro de Maspalomas) am Strand Richtung Norden. Die Berge begannen unmittelbar nach der Stadt. Das war nicht unerwartet da die wunderschöne Bergkulisse von der Stadt aus unübersehbar war. Ich hatte strahlendes Wetter bei ca 25 Grad Celsius. Herrlich, eine tolle Wandertour kündigte sich an, bei der es genau um diese Eigenschaften ging: herrlich und sehr fordernd. Ein großer Canyon öffnete sich und der Wandertrail verlief an der rechten Wand des Canyons, sodass mir immer ein fantastischer Ausblick auf die Talsohle beschert war. An den Stauseen in Avagaures vorbei, begannen dann Kiefernwälder, die immer dichter wurden.
Mein Ziel an diesem Tag war San Bartolome de Tirajana. Das schaffte ich jedoch nicht, weshalb ich mir in der Natur einen Platz für die Nacht suchen musste, was nicht einfach war, weil es kaum ein Stück ebenen Boden gab. Mein Suchen wurde belohnt, und ich fand ein Plateau auf ca. 700 Meter Seehöhe mit freier Sicht auf den bereits zurückgelegten Weg. Bei Sonnenaufgang war das ein fantastischer Ausblick, der zwei Stunden später in San Bartolome mit einem ausgiebigen Frühstück gekrönt wurde. Auch dieser Tag war voll mit Sonnenschein und Naturschönheiten und brachte mich auf eine Seehöhe von 1700 Meter.
Am 3.Tag, am Morgen, schug das Wetter um. Regen, Kälte, schlechte Sicht und extremer Wind. Ab diesem Zeitpunkt wurde es sehr anstrengend und durch den Wind auch schwierig. Manche Passagen musste ich, auch wegen der nassen Felsen, sehr konzentriert meistern. Ich ließ mich auf keine Unsicherheiten ein und kam zum Glück nie in die Situation über ein Umkehren nachdenken zu müssen. In Tamadaba, einem großen, freien und unbewirtschafteten Camp und Rastplatz mitten im Wald, verbrachte ich als einziger Besucher eine sehr ungemütliche Nacht in meinem Zelt.
Am nächsten Tag ging es 1200 Höhenmeter bergab nach Agaete, meinem Ziel auf Gran Canaria, wo ich um die Mittagszeit ankam und mich dem abenteuerlichen Charm des ungeschminkten und sehr reizvollen Ortes hingab. Leider bekam ich dort keine Unterkunft, sonst wäre ich länger geblieben. Agaete steht ganz ober auf meiner Liste der Orte, die ich wieder besuchen möchte. Außerdem habe ich noch beinahe 2 Tage mit den Bergen offen, die durch Regen, Nebel und Wind getrübt waren.
Mit den ersten zaghaft durch die Wolkendecke blinzelnden Sonnenstrahlen ließ ich meine, am schwarzen Kiesstrand von Agaete ausgebreitete nasse Ausrüstung so gut es ging trocknen und nahm ein erfrischendes Bad im Atlantik während ich auf die Fähre nach Teneriffa wartete.
Diese Wanderung hat mir das wahre Gran Canaria gezeigt. Abseits von Maspalomas und Co. Wer diese Seite nicht gesehen hat, kennt die Insel nicht. Sie ist eine wilde und abenteuerliche Naturschönheit. Die 77 Km und 3160 Höhenmenter hatten es in sich. Genauso wie das Wetter.
Gran Canaria, ich habe deine schönen, wunderbaren und auch deine heftigen, wilden Seiten kennengelernt. Ich komme sicher wieder.
Geheimtipp: Mountain Hostel Finca La Isa, Tejeda, Gran Canaria.