Eine Eigentümlichkeit meiner Reise - für mich jedenfalls - ist es, dass mit jeder Insel das Wanderabenteuer neu startet. Es beginnt mit dem Weg übers Meer, beziehungsweise bereits mit dem Betreten des Fährschiffes. Jede Insel der Kanaren soll anders sein habe ich bereits von einigen Kenner erfahren. Mal sehen was mich erwartet. Adios Lanzarote, Hola Fuerteventura.
Alles ist ein wenig größer, lauter und turbulenter. Die Häuser sind nicht mehr ganz so weiß und imposant wie auf Lanzarote. Fuerteventura ist wilder und ungezähmter. Der afrikanische Kontinent ist nur ca. 200 Km entfernt und somit um ein vielfaches näher als der europäische und damit auch Spanien, dem die Kanaren angehören.
Ich habe erstmalig bei meinen Weitwanderungen mit Blasen an den Füßen zu kämpfen. Ich ärgere mich die Marke meiner Wanderschuhe gewechselt zu haben. Die vielen Blasen Pflaster machen sich bezahlt. Noch ist es auszuhalten.
Im Landesinneren, abseits der Stadt Corralejo, in der ich mit der Fähre von Lanzarote ankam, wird es ruhig. Auf meinem Wegen finden sich immer wieder geschützte Raststellen, nach einer Seite offen, mit Stroh gedeckt, windgeschützt, die sich als ideale Rastplätze anbieten. In der 2. Nacht teilte ich einen solchen mit 2 niederländischen Radfahrern, die an einem Ultra Trail Radmarathon durch die Kanaren teilnehmen und sich knappe 4 Stunden Schlaf gönnten.
Ganz anders als ich. Bei mir war ausschlafen angesagt, ich hatte Zeit und genoss das Leben abseits von Zeitmessung, Terminen und Stress. Übrigens, all jenen mit Schlafproblemen rate ich zu solchen Abenteuern. Ich schlafe jede Nacht mindestens 9 Stunden.
Die Landschaft von Fuerteventura ist mit der von Lancarote vergleichbar. Vielleicht etwas weniger Vulkankegel und mehr Gebirgsketten, etwas weniger Grautöne, die die Landschaft dominieren und etwas mehr Braun- und Rotbraunschattierungen. Auch hier sind kleine mit Palmen bewachsen Oasen ein intensives Farberlebnis in der endlosen Vulkanlandschaft.
Wann immer ich auf Menschen treffe, habe ich das Gefühl nicht zu entsprechen. Nach 3 oder 4 Tagen ohne Dusche, verstaubt, verschwitzt und verfiltzt, würde es mich nicht wundern, wenn sich manche naserümpfend abwenden würden. Aber nein, das Gegenteil ist der Fall. Obwohl ich als Weitwanderer wohl zu einer kaum wahrnehmbaren Spezies gehöre - ich habe bisher noch keine Gleichgesinnten getroffen - können die Einheimischen wie auch die wenigen Touristen gut mit verstaubten und stark riechenden Zeitgenossen umgehen.
Ein Highlight auf Fuerteventura ist Ajuy, ein kleines an der rauhen Westküste der Insel gelegenes Dorf und eines meiner Ziele abseits meines Trail Vorhabens, ein Extra, wenngleich mich auch dorthin meine Beine tragen mussten. Die Höhlen von Ajuy, weswegen der Ort bekannt ist, seine Ruhe und Beschaulichkeit, der schwarze Sand und der tosende Atlantik, der hier ungebrochen auf Land trifft, waren alles gute Argumente für diese Extra-Tour. In diesem kleinen Fischerdorf gönne ich mir für 2 Nächte ein Zimmer um zu rasten, die Höhlen zu besuchen, gut zu Essen und im Atlantik zu schwimmen.
Während ich diesen Beitrag schreibe, sitze ich in einem kleinen Café des Örtchens, mit Blick auf den schwarzen Strand und die wilden Wellen des ungezähmten Atlantik. Ich denke mir: Wir leben auf einem unfassbar schönen Planeten. Keine Anstrengung sollte uns zu groß sein, um uns das Erleben dieser Natur auch weiterhin zu ermöglichen. Wahrscheinlich gehört in Zukunft die Einschränkung solcher Reisen zu meinen Anstrengungen.
164 Km durch Fuerteventura in 8 Tagen. Von Corralejo im Norden bis nach Faro de Jandia im Süden. Ich muss sagen, es war sehr anstrengend, vielseitig, wild, exotisch und schön.
Am Anfang sieht man nur die Kargheit der Insel, die auch ihre Wildheit ausmacht. Bei näherer Betrachtung erkennt man jedoch die Vielseitigkeit der Landschaft in dieser Kargheit. Schroffe und felsige Gebirgsketten, Vulkangestein, kilometerweite Dünenlandschaften, Sandwüsten, abwechslungsreiche Wanderpfade, schwarze, graue, goldene zum Teil menschenleere Traumstrände, Wellen, Surfer, Aussteigerlifestyle - all das gibt es hier. Und auch Nachtschwärmer kommen auf ihre Kosten. Was will das Herz mehr.
Nachdem ich von Ajuy aufgebrochen war, ging es auf einer anstrengenden Tour über die Berge nach La Pared. Ein Surferzentrum mit einer einzigartigen Life & Fun Atmosphäre, die mich sofort packte. 2 winzig kleine Cafés und ein Minimarkt. Sonst gab's im Ort keine Lokale oder Einkaufsmöglichkeiten. Allerdings einen unglaublichen Strand, eingerahmt von Steilklippen. Das Meer rauscht hier mit großer Wucht und großen Wellen ans Land. Im Meer warteten unzählige Surfer auf ihre Welle. Untergebracht war ich, wie könnte es anders sein, in einer sehr unkomplizierten und unkonventionellen Surfschule gemeinsam mit 8 anderen, die mich alle herzlich aufnahmen. War extrem cool dort.
Nach La Pared ging es dann mehrere Stunden durch eine Sandwüste wie man sie nur aus Filmen kennt. Das allein war schon außergewöhnlich. Nicht genug der Ungewöhnlichkeiten: Auf der Sandoberfläche waren endlose Mengen versteinerter kleiner Schnecken- und Muschelgehäuse gemeinsam mit Überresten von Korallen verstreut. Gerade so, als wären sie vom Himmel gefallen. Ich habe mir erklären lassen, dass, wie andere Teile der Insel auch, diese Wüste einst durch die Kraft der Vulkane aus dem Meer gehoben wurde und dieses Phänomen seither erhalten blieb.
An diesem Tag verließ ich die Westküste und wanderte Richtung Osten. Da die Insel an dieser Stelle nicht besonders breit ist erreichte ich die Ostküste noch am selben Tag und sie erwartete mich in Form eines goldgelben, breiten, lagunenförmigen Strandes. Bei diesem Anblick vergaß ich den Regen, der mich schon den ganzen Tag begleitete.
Strand, Bucht, Meer und Wellen waren die nächsten 35 Kilometer bis Faro de Jandia meine Weggefährten. Dort, am südlichsten Punkt von Fuerteventura verbrachte ich meinen vorläufig letzten Abend und eine windige Nacht auf dieser Insel. Ein fabelhaftes, wildes und ungezähmtes Land.