top of page
AutorenbildRoland Wiednig

Am Kungsleden Trail in Lappland. 460 Kilometer zu Fuß nördlich des Polarkreises.

Aktualisiert: 23. Mai 2023



...um zum Wikinger oder gar zum König zu werden


"Kungsleden", übersetzt Königspfad… das hört sich sehr erhebend an. So wie: Auf den Spuren nordischer Könige oder noch besser, auf den Spuren der Wikinger.

Nördlich des Polarkreises mit Mitterachtssonne, unberührter Natur, entfesseltem Wetter, Schnee und wilden Tieren.

Der Mensch und die Natur,

ein Bündnis das selbstverständlich scheint

aber vom Menschen in weiten Teilen aufgekündigt wurde.


Einsamkeit, Regen, Tiere, Berge, Kälte und vieles mehr erwecken beivi elen von uns gemischte Gefühle. Aber es ist noch etwas da von diesem Bündnis: Die Sehnsucht nach Freiheit, Wildheit und Einfachheit, die in uns schlummert und wartet erweckt zu werden um aufzustehen, dem Selbst ins Auge zu blicken um zum Wikinger oder gar zum König zu werden.





Kiruna,

eine kleine Stadt mit 18.000 Einwohner 150 Km nördlich des Polarkreises. Rote, gelbe, grüne Holzhäuser zwischen wenigen gemauerten Wohnbauten. Überall Wasser, kleine Teiche, Seen und Flüsse und im Süden das schneebedeckte Gebirge mit dem höchsten Berg Schwedens, dem Kebnekaise (2106m), der auf mich wartet sofern das Wetter es zulässt. Derzeit ist es trocken und windig mit sonnigen Abschnitten. Die Temperaturen liegen jetzt, Anfang Juli bei etwa 10 Grad tagsüber. Wenn die Sonne tiefer steht - auf einen Sonnenuntergang wartet man vergeblich - ist es deutlich kälter.

Heute ist Aufbruch in Kiruna . Ich fahre mit dem Zug 1 Stunde nach Abisko, einer kleinen Siedlung nordwestlich von Kiruna. Dort geht es los. Einstieg in den Kungsleden. Aber zuvor gibt es noch ein einfaches Frühstück in der Husky Farm in Kiruna, wo ich übernachtet habe. Die Farm mit geschätzt 50 Hunden verdient ihren Namen.

Die Mitternachtssonne hat mir nicht all zu sehr den Schlaf geraubt. Allerdings ist es schon eigenartig, wenn es nachts um 3 Uhr taghell ist.





Vakkotavare

Die ersten 7 Tage vom Start in Abisko bis nach Vakkotavare, einer Hütte in Nähe der Zivilisation sind geschafft. Ich habe hier erstmals wieder Telefon und Internet Empfang. 110 Km mit Sonne, Schnee, Schneestürmen, Regen, Kälte (bis – 3 Grad), nasser Kleidung aber mit unglaublicher Freiheit und hautnaher Natur. 4x schlief ich im Zelt und 2x in Hütten. Es ist hier so anders als zu Hause, mal abgesehen von den Kühlschranktemperaturen hier und der Backrohrhitze zu Hause.


Dieses Land ist sehr wild und unberührt,

nur einige Hartgesottene sind hier unterwegs.


Renntierbegegnungen stehen hier an der Tagesordnung. Wusste gar nicht, dass die so groß sind. Viel größer als die vom Weihnachtsmann. Apropos…habe ihn noch nicht getroffen, aber falls doch werde ich ihm schöne Grüße ausrichten.





Ein unglaubliches Land, wild, sehr wild und

unberechenbar, ganz besonders das Wetter.


Ich hätte mir zuvor niemals vorstellen können stundenlang bei Kälte im Regen, Schnee und Sturm zu wandern. Hier scheint es das normalste auf der Welt zu sein. Die Natur ist karg und in ihrer Kargheit wunderschön und unvergleichbar. Die Herausforderung, die Wildheit, das Gefühl auf einer Expedition im hohen Norden zu sein, konfrontiert mit schwierigen Wetterbedingungen, all das gibt mir nach einem schweren Tag ein unglaubliches Hochgefühl. Nach Saltoluokta wandere ich nicht mehr der Länge nach durch die Täler sondern ich quere sie, was wesentlich mehr tägliche Höhenmeter zur Folge hat. Das Wetter wird nicht besser. Einen regenfreien Tag nutze ich um auf den Skierffe zu wandern und einen unfassbaren Blick in eines der schönsten Täler Europas zu werfen. Dieser Blick war alle bisherigen Strapazen wert.





Das schöne am Kungsleden ist, dass die Möglichkeit besteht in Hütten zu übernachten. Am Abend, völlig durchgefroren und durchnässt, habe ich meist die Hütte gegenüber dem Zelt bevorzugt. Aber an schönen Abenden sind die Vorzüge des Zeltens nicht zu schlagen. Ich bin jetzt in der Fjällstation in Kvikkjokk und genieße das komfortable Leben. 182 Km sind geschafft.







Dieser Weg ist magisch, irgendwie vergesse ich die Zeit und den Tag - es ist immer Tag, ständig, ohne Anfang und Ende. Ich bin nur mit dem Weg, der Natur, der grenzenlosen Weite des Landes und den wenigen Menschen verbunden, die ich gelegentlich treffe. Das Schreiben fällt mir schwer. Es fehlt mir die Motivation und ich finde es sinnlos. Ist dieses Schreiben doch ein Instrument, ja fast schon ein Relikt aus einer anderen Zeit. Aus einer lange vergangenen Zeit, in der ich gemeinsam mit vielen anderen Menschen in einer Welt lebte, mit unglaublichen Lärm und Gestank. Eine Welt die mir jetzt unwirklich erscheint, jetzt wo ich auf den Pfaden der Könige und Wikinger wandere, gemeinsam mit Elchen, Wölfen und Rentieren.







223 Ansichten
bottom of page